Denk' über den eigenen Kirchturm hinaus!

Ein historischer Dachbodenfund

Als Pfarrer muss man Arbeiten ausführen, zu denen man aufgefordert wird und dies als Last empfindet. Im August 2020 hatte ich im Gemeindebrief berichtet, wie ich mit Helfern die ehemalige Kapelle in Keula ausgeräumt habe, in der vor 30 Jahren der letzte Gottesdienst gefeiert wurde. Die „Schätze“ wurden mitgenommen, wir waren jetzt für den Dreck zuständig. Dazu gehörte ein Stapel alter Plakate im A2 Format. Nach kurzer Sichtung erschienen sie mir interessant. Ich nahm sie mit. Nun habe ich mir den Fund mal näher angeschaut. Die Plakate,
vielleicht für einen Schaukasten oder für die Kapelle selbst gefertigt sind nach einigen Zeitangaben zwischen 1969 und Anfang der 70iger Jahre entstanden. In den Jahren von 1969 bis 1972 war dort die Seelsorgehelferin Isolde Palme tätig. Sie könnte sie gestaltet haben. Ein Plakat möchte ich ihnen hier vorstellen, das an Aktualität nichts verloren hat. „Denk über den eigenen Kirchturm hinaus!“
Stilisiert sind der Petersdom in Rom, Dom und Severikirche in Erfurt und eine Kirche, eine Kapelle und Häuser, als Kirche vor Ort. Beigegeben ist der Schriftzug:„Nachbarpfarrei + Diözese + Weltkirche“
Darin wird deutlich, dass wir unser Christsein in einer großen Gemeinschaft leben. Gleichzeitig steckt die Aufforderung dahinter, wie das Sprichwort sagt: „Über den eigenen Kirchturm hinauszudenken.“ Das Problem gab es vor 50 Jahren schon und hat sich bis heute gehalten. Leider muss ich als Pfarrer einer Pfarrei dies auch so diagnostizieren. Mit der Neugründung der Pfarrei St. Josef Mühlhausen am 1.1.2017, also vor fünf Jahren, war damit eine Umstrukturierung unserer Gottesdienstorte notwendig. Auch in der Folgezeit mussten Gottesdienstorte aufgegeben werden. Leider sind damit immer auch Abbrüche verbunden, dass bisherige Gottesdienstbesucher den Schritt bedauern und ihren Gottesdienstbesuch einstellen. Ist das Kirchturmdenken? Ja. Auch wir heutige Gemeindemitglieder von St. Josef Mühlhausen müssen aufpassen, dass wir nicht dieser Mentalität verfallen. Wer kennt den jeweils anderen Kirchort unserer Pfarrei? Oder suchen sie bei einer unpassenden Gottesdienstzeit einen anderen Gottesdienstort auf? Dies gilt auch für die Coronazeit bei der Onlineanmeldung, wenn der Gottesdienstort ausgefüllt ist. In unserer Pfarrei kann nicht an jedem Kirchort alles angeboten werden (Beichte, Bildung und Berufung). Sind sie da flexibel? „Denk über den eigenen Kirchturm hinaus!“
Liebe Gemeindemitglieder, solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, wenn ich so ein Plakat sehe. Wie gesagt, es ist 50 Jahre alt. Wenn wir einen so gut gemeinten Ratschlag nicht beherzigen, haben viele unserer Gottesdienstorte keine Chance des „Überlebens“. An den Adventssonntagen hat Johannes der Täufer uns mehrfach aufgerufen umzukehren. Das darf auch für solch ein Denken gelten.

Wir Priester feiern gern die Gottesdienste mit Ihnen. Wenn aber die
Besucherzahlen abnehmen, nimmt adäquat auch die Feierlichkeit ab, von der unsere Gottesdienste immer noch leben. Ich freue mich mit meinen priesterlichen Brüdern, Sie im neuen Jahr zu unseren Gottesdiensten herzlich begrüßen zu dürfen.

Ad multos annos!
Ihnen ein gesegnetes neues Jahr 2022 unter Gottes Segen!
Ihr Pfarrer, Andreas Anhalt

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