Der Grundstein ist gelegt, nun soll uns nichts mehr aufhalten!

Grundstein
Grundstein

Vor 120 Jahren wurde der Grundstein der katholischen St. Josefkirche in Mühlhausen gelegt. Deren Geschichte reicht aber bis in das Jahr 1884 zurück. In jenem Jahr übernahm der aus Silberhausen gebürtige Pfarrer Heinrich Gleitz (1842-1915) die 1851 gegründete Missionspfarrei zu Mühlhausen. Eine aufstrebende Gemeinde, die allerdings schon zwei Jahre ohne eigenen Priester war und deshalb abwechselnd von den Geistlichen der nahen Eichsfelder Gemeinden betreut wurde. Schon bald sah Heinrich Gleitz das Missverhältnis zwischen wachsender Gemeinde und der kleinen, engen 1851 am Blobach erbauten Bonifatiuskirche. Ein Gebäude, das nach Meinung vieler

Mühlhäuser Einwohner, die täglich die prächtigen Kirchen aus reichsstädtischer Zeit vor Augen hatten, eher einem Stall, als einer Kirche glich. Hinzu kam, dass die Kapelle schmucklos und zunächst ohne einen Turm errichtet worden war. In mancher Feiertagsmesse war der kleine Raum so überfüllt, dass Gottesdienstbesucher ohnmächtig aus der Kirche getragen werden mussten. Die Beseitigung dieser unwürdigen Verhältnisse machte sich Heinrich Gleitz zur Lebensaufgabe.

Die Amtsvorgänger des Pfarrers trugen sich noch mit der Hoffnung, eine der unbenutzten ev. Kirchen der Stadt zu erwerben. Eine Hoffnung, die immer wieder enttäuscht wurde. Zusammen mit 33 Gemeindemitgliedern gründete er deshalb am 30. März 1885 einen Kirchenbauverein, als dessen Vorsitzender er gewählt wurde. Viele Jahre vergingen, bevor Gleitz sein hehres Ziel erreicht hatte. Zeitweise nahm die Bauplatzsuche groteske Züge an, die letztendlich nur durch den konspirativen Einsatz eines Strohmannes zum Erfolg geführt hat.

Am 8. Mai 1900 konnte ein repräsentativer Bauplatz erworben werden. Er lag an der seinerzeit noch im Ausbau befindlichen Friedrichstraße, der Hauptmagistrale zum Bahnhof. (heute: Karl-Marx-Straße) Am 8. November 1902 traf der Zeichnungssatz mit den Bauplänen und einem Erläuterungsbericht des Diözesanbaumeister Güldenpfennig aus Paderborn in Mühlhausen ein. Nach nur 4 Wochen Bearbeitungszeit, das Baugesuch hatte Gleitz am 20. November eingereicht, erteilt die städtische Baupolizeiverwaltung vier Tage vor Heiligabend die Baugenehmigung.

Endlich war es so weit, es konnte gebaut werden! Bis zum 20. Februar 1903 wurden die Bauaufträge vergeben. Sie gingen an die beiden einheimischen Maurermeister Hochhaus und Schreiber. Allein die Steinmetzarbeiten wurden der Firma Otto Schonlau aus dem niedersächsischen Hardegsen übertragen, deren Steinmetze meist Arbeiter aus Treviso in Nordostitalien waren. Sie schufen den Figurenschmuck an den Portalen, die Maßwerkfenster, die Säulen und all die anderen Schmuckelemente. Als Material kam der graue Sandstein aus den Steinbrüchen der Firma Otto Schonlau zum Einsatz. Das aufgehende Mauerwerk des Gebäudes aber sollte steinsichtig, aus heimischem Travertin Platten mit hintermauerten Hartbrandziegeln errichtet werden.

Zunächst galt es jedoch, für den Kirchenneubau ein sicheres Fundament zu schaffen.

Bauplatz St. Josef
Der große Bauplatz ist an der Friedrichstraße. Im Vordergrund ist die später mit der Oberrealschule bebaute Fläche und dahinter der noch mit Sträuchern und Gebüsch bewachsene Kirchenbauplatz.

Anfang März des Jahres 1903 begann man den Bauplatz, der zuvor den Holzhändlern Julius und Albert Mehmel gehörte, von Hecken und Gebüsch zu beräumen und eine Bauhütte aufzustellen. Danach begann die Aushebung der Erdmassen und die Anfuhr der Baumaterialien. Die Fundamentierung erfolgte in ganz eigener, hier bisher unbekannter Art und Weise. Zuerst wurde Beton (Zement, Kies, Schlackensteine und Sand) an Stelle der ausgehobenen Erde gestampft. Danach war man damit beschäftigt, Eisenschienen, wie eine Art Gitterrost, zu legen und mit zartem Beton auszufüllen. Darauf kam nochmals Beton größeren Kalibers und hierauf die Sockelsteine, die in den stadtnahen Steinbrüchen der beiden Unternehmer gewonnen wurden. Zum Schluss hatte das Bankett eine Stärke von 80 cm erreicht. Nachdem die Vorbereitungsarbeiten soweit gediehen waren, stand der feierlichen Grundsteinlegung nichts mehr im Wege.

Sie fand am 14. Juli 1903, einem Dienstag, ab 11:00 Uhr statt. Der Kirchplatz war mit Tannengrün, Girlanden und Fahnen geschmückt. Die Feier selbst, an welcher sich die katholische Geistlichkeit des gesamten Kreises sowie aus weiterer Entfernung, zusammen etwa 30 Herren, die Gemeindemitglieder und ein zahlreiches Publikum beteiligten, nahm einen würdigen Verlauf. Den eigentlichen Akt der Grundsteinlegung vollzog der Geistliche Rat Hermann Osburg/ Heiligenstadt unter dem Gebet der Geistlichen und der Gemeindemitglieder. Nachdem der bischöfliche Kommissar die Festversammlung gesegnet hatte, wandte er sich dem Grundstein zu und sprach die Weiheformel über ihn. Die Gemeinde stimmte sodann die Litanei: „Von allen Heiligen“ an, worauf der Grundstein in feierlicher Prozession an Ort und Stelle getragen und sofort eingemauert wurde. In den Grundstein hatte man eine Metallkapsel eingelegt, die verschiedene Urkunden enthält. Die in lateinischer Sprache verfasste Urkunde über den Akt der Grundsteinlegung hatte Dechant Gleitz selbst verfasst. Er beginnt darin mit einer nach den Regierungsjahren des Papstes, Leo XIII., und des deutschen Kaisers, Wilhelm II., berechneten Zeitbestimmung, nennt ferner den Bischof zu Paderborn, Herrn Dr. Schneider, und gibt sodann an, dass der Grundstein der Kirche heute zu Ehren des Patriarchen St. Joseph geweiht wurde. In der Urkunde berichtet Gleitz über den geplanten Kirchenbau und die kirchlichen Verhältnisse in Mühlhausen. Der Bauplatz, so heißt es in der Urkunde, ist für 74.000 Mark erworben worden. Unter der Aufsicht des Bauführers August Tersluisen und unter Oberleitung des Herrn Baurat Arnold Güldenpfennig - beide Paderborn – wird von den hiesigen Bauunternehmern, den Herren August Schreiber und Karl Hochhaus die Kirche erbaut werden. Die Kosten, welche sich auf 150.000 Mark und darüber belaufen, werden bestritten von Sammelgeldern des Herrn Pfarrer Gleitz, den Gaben des Bonifatius-Vereins und von der Gemeinde durch kirchliche Umlagen. In dieser Urkunde schildert er sodann den Zustand der Stadt und der katholischen Gemeinde zur Zeit der Erbauung der Kirche. Oberbürgermeister der Stadt, so heißt es in der Urkunde, war damals Herr Adolf Trenckmann. Die Zahl der Einwohner betrug 34.000, die katholische Gemeinde zählte 2000 Seelen. 308 Kinder besuchten die katholische Schule und wurden in fünf Klassen unterrichtet von den Herren: Hauptlehrer Löffler, den Lehrern Hahn, Koch, Otto und der Lehrerin Frl. Anna Sachse. Vier Ordensschwestern der „Kongregation von der heiligen Elisabeth“ übten Krankenpflege aus.

Die Urkunde trägt das Datum vom 14. Juli 1903. Außer diesem, auf Pergament niedergeschriebenen Dokument, hatten noch je ein Exemplar der „Germania“, der „Eichsfeldia“, des in Berlin erscheinenden „Kath. Arbeiters“, sowie der „Mühlhäuser Zeitung“ und des hiesigen Kreisblattes, des „Mühlhäuser Anzeigers“, in der Kapsel Platz gefunden. Ferner hat man je eine Münzsorte (vom Fünfmarkstück abwärts) in der Metallbüchse aufbewahrt.

Nach erfolgter Einmauerung des geweihten Grundsteines wurden die gesamten Fundamente mit Weihwasser besprengt. Anschließend hielt der Geistl. Rat Osburg, der als begnadeter Redner galt, seine Festpredigt. Mit einem Schlussgesang erreichte die denkwürdige Feierlichkeit, die sicher bei allen Teilnehmern einen tiefen Eindruck hinterließ, ihr Ende. Nach der Veranstaltung fanden sich die Geistlichkeit, einige Vertreter der kirchlichen und Gemeindebehörden sowie die Baumeister zu einem gemeinsamen Mahl in der Wohnung des Pfarrers Gleitz am Blobach zusammen.

Bekannt ist, dass von der feierlichen Grundsteinlegung durch den Hofphotographen F. Tellgmann Momentaufnahmen angefertigt wurden. Leider hat sich bisher keines dieser Fotos finden lassen.

Bernd Mahr

 

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